VON RICHARD RÖHRBEIN
Die Unterschutzstellung der Siedlung
1984 wurde begonnen, die Siedlung unter Schutz zu stellen – in Form des Ensembleschutzes. Dies erfolgte unter Volker Hassemer, damals CDU-Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz unter Weizsäcker; nach dem 1995 novellierten Denkmalschutzgesetz wurde das Siedlungsensemble auf die Liste der zu schützenden Denkmäler gesetzt. Das Interessante an diesem Verfahren war, dass nun endlich auch mal von Sozialdemokraten geplante Wohnbauten und Siedlungen der Weimarer Republik geschützt wurden und nicht mehr wie lange Zeit nur Burgen, Schlösser und Kirchen der Feudalgesellschaft.
Der Leiter der Denkmalpflege war damals Professor Engel, sein Stellvertreter Diplomingenieur Kloss. Letzterer hatte sich schon längerfristig für die Siedlung eingesetzt, unter bei der damaligen Eigentümerin GEHAG.
Man wollte es diesmal mit dem Unterschutzstellungsverfahren besonders „geschickt“ machen – mit Bürgerbeteiligung. Das wurde zum Bumerang, sprich: Es gab viel Protest aus der Bevölkerung. Professor Posener, ein prominenter Bau- und Kunsthistoriker aus dem Bezirk Zehlendorf, meldete Bedenken an. Wieso, weiß heute niemand mehr. Diese Proteste führten zu Verzögerungen, und diese Zeit nutzten Vertreter des „rabiaten Kleinbürgertums“ dazu, noch schnell diverse Veränderungen vorzunehmen. Kleinflügelige und kleinsprossige Fenster wurden herausgerissen und durch pflegeleichte Ganzglasfenster ersetzt. Aber dabei wurden sie auch sogleich um einen halben Stein vertieft und neu eingesetzt. Nun starrten und starren „blinde Augen“ die Betrachter an. Der Architekt Bruno Taut hatte die ursprünglichen Fenster bündig in die Hausfront setzen lassen. Eine leicht vorstehende Blechverwahrung am oberen Rand des Fensters und seitliche Abdeckleisten gaben etwas Profil und damit Schattenwirkung bei Streiflichtern der untergehenden Sonne. Sie erzeugten eine feine Reliefwirkung aus der Konstruktion, nicht künstlich dekorativ aufgesetzt wie bei der historischen Architektur. Wir können hier gar nicht all die individualisierenden Ideen und Taten der Hauseigentümer aufführen. Der Ersatz und Einsatz verschiedenster Haustüren war das hervorstechendste Merkmal dieser verhübschenden Individualisierung. Gegen eine solche Tendenz hatte Bruno Taut schon zur Entstehungszeit Kritik geäussert – als „Ungeist“ einer aus dem kollektiven Genossenschaftswesen erwachsenen Siedlung.
Das Siedlungs-Ensemble wurde dann 1995 formal als Schutzobjekt
eingetragen. Im Jahre 2009 wurde mehrere Berliner Siedlungen der
Weimarer Republik, unter anderem von Bruno Taut, auf die
Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.
Nun gab es erneut Kritik aus der Siedlung: Warum nicht die
Onkel-Tom–Siedlung? Der Grund waren unter anderem die
individualisierenden Beeinträchtigungen der Gesamtgestaltung!
Heute sind vermehrt Eigentümer wegen des Images der Siedlung als
Geschichts- und Kulturdenkmal hierhergezogen, ältere Bewohner freuen
sich über traditionsverbundene Rückbesinnungen. Auch ist der
Denkmalsstatus steuerlich durchaus interessant. Aber immer noch scheint
es schwierig zu sein, bei Renovierungen den richtigen Farbton zu
bestellen, immer noch wird die vereinheitlichende Farbgebung
„verpasst“. Andererseits gibt es sehr überzeugende Lösungen für farblich
geschlossene Reihen – sogar für solche, die erst nachträglich, Stück um
Stück, wieder hergestellt wurden – zum Beispiel in der Strasse am
Gestell.
Inzwischen ist die Onkel Tom-Siedlung in aller Welt bekannt. Immer mehr Studierende und sonstige Besucher kommen hierher und freuen sich insbesondere an der Farbigkeit der Siedlung. Uns ist sie tägliche erfreuliche Gegenwart – wie schön! Auch darum steht an der Ecke Argentinische Strasse und Riemeisterstrasse ein Denkmal für Bruno Taut (1880-1938).